Marc hat geschrieben:
@Neo, wenn ich oszi richtig verstanden habe stellt er die Praxis, verdiente Revolutionäre durch die Benennung von Straßen oder gar Städten zu ehren, garnicht in Frage.
Vielmehr hat oszi in seinem Beitrag recht deutlich hervorgehoben, was er konkret kritisiert: Die Benennung von Städten, Straßen, Lokomotivserien (IS 20) und Panzern (IS 2 und IS 3) zu Lebzeiten des Betreffenden.
Ich bin mir nicht so genau im klaren, was er meint. Wenn er die beschriebene Praxis kritisieren wollte, war die Kritik eher im Subtext angesiedelt.
Marc hat geschrieben:
Wenn zu Lebzeiten eines Politikers eine Stadt nach ihm benannt wird, wie willst du dann dem gemeinen Volk erklären, dass dieser Politiker dies nicht selbst veranlasst oder zumindest gebilligt hat?
Wann und warum hätte man das denn dem Volk erklären müssen? Hat sich denn das Volk über die Umbenennungen beschwert? Nach meiner Kenntnis wurden die Umbenennungen von den zuständigen lokalen Gremien auf Wunsch des Volkes durchgeführt.
Marc hat geschrieben:
Natürlich gibt es eine Reihe von Aussagen Stalins, in denen er sich gegen den Personenkult wendet. Aber ein Federstrich von Stalin hätte doch wohl genügt, um Zarizyn auch damals schon Wolgograd zu nennen?
Es ist eben nur sehr schwer zu vermitteln, dass sich Stalin zwar wiederholt gegen den Personenkult geäußert hat, aber nie etwa gegen diesen Kult getan hat. Oder hat er, und mir fehlen wieder mal nur die erforderlichen Kenntnisse?
So wie ich die weiter oben zitierten Texte verstehe, hat sich Stalin persönlich nicht viel aus dem "Personenkult" gemacht, hat aber erkannt, daß manche seiner äußeren Erscheinungsformen, wie z.B. Bilder und Namensgebungen, für das Gemeinschaftsgefühl und die Identifikation mit dem neuen System förderlich waren und daß es ein Bedürfnis der Menschen gab, ihre Verbundenheit mit ihm und dem von ihm repräsentierten Sowjetsystem zum Ausdruck zu bringen.
Insofern ist meine Annahme, daß er bestimmte Aspekte des "Personenkults" aus übergeordneten Überlegungen akzeptiert hat. Aber wie gesagt, das ist nur eine Annahme, wissen kann ich das natürlich nicht.
Ob jetzt eine Person schon zu Lebzeiten mit der Benennung von Strassen, Städten oder Werken geehrt wird, oder danach, macht aus meiner Sicht keinen großen Unterschied.
Es ist in diesem Zusammenhang vielleicht auch hilfreich, den Begriff "Personenkult" differenzierter zu betrachten.
Die Verwendung von Bildern im Zusammenhang mit anderen Symbolen des neuen Systems war hilfreich, um die Identifikation der Massen mit diesem System zu fördern. Was ist daran auszusetzen?
Anpassung, Kritiklosigkeit, Heuchelei und Schmeichelei als weitere Aspekte von "Personenkult" haben natürlich eine ganz andere Qualität. Sie standen im Widerspruch zu den Zielen des Systems und waren entsprechend zu kritisieren.