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Ich habe das schonmal an anderer Stelle gesagt, wiederhole mich aber ausnahmsweise sehr gerne. Daß auf Stalins Konto Tote gehen, wird hier wohl kaum einer bestreiten. Es ist, auch das habe ich gesagt, allerdings schwer, einen Politiker zu finden, wo das nicht der Fall ist. Stalin, sicherlich, hat mehr Tote als die meisten gehabt. Er hat ja auch mehr als die meisten regiert und zivilisiert, in den Rang des modernen Menschen gehoben, ernährt, gebildet usf.
Die Frage stelle ich gerne nochmal: Wenn jemand einen Menschen tötet, um viele zu retten, hat er dann wohl getan oder nicht? Mir fällt die Entscheidung relativ leicht.
Auf Stalins Konto gehen, dafür verbürge ich mich, wenig unschuldige Tote. Die Opfer der Säuberungen der Dreißiger Jahre etwa mögen nicht alle Schurken gewesen sein, Politiker waren sie allemal, und entgegen dem gegenwärtigen Verständnis des Wortes "Politik", beinhaltet der tatsächliche Beruf des Politikers doch auch immer das Risiko, seinen Kopf zu verlieren. Es gibt, will ich vorsichtig äußern, in der Politik gar keine unschuldigen Leute.
Die Kulaken waren erst recht nicht unschuldig. Darüber diskutier ich auch nicht. Dafür, wie sie sich verhalten haben, ist die Möglichkeit, Sibirien zu bebauen, die Stalin dem größten Teil von ihnen gewährt hat, eine sehr milde Strafe.
Ich kann mich KleinAlex auch nicht in dem Punkt anschließen, daß die Morde an Kommunisten nur Schaden und keinen Nutzen gebracht hätten. Stalin hat nicht willkürlich gehandelt, und zwar niemals. Die Parteisäuberungen gehen auf Vorschläge Lenins zurück, die Partei müsse sich von schädlichen Elementen von Zeit zu Zeit reinigen, da sie sonst instabil werde und konterrevolutionäre Seelen in sich gebäre. Die harten Jahre des zweiten Weltkriegs und die dafür notwendigen Vorbereitungen hätten, möchte ich spekulieren, ohne die vorangegangenen Säuberungen nicht überstanden werden können. Um Stalin den Schrecklichen noch ein bißchen schrecklicher dastehen zu lassen, reden Dokumentationen immer gerne davon, daß Stalin vor seinem Tod eine weitere Säuberung geplant hatte, zu der er dann ja nicht mehr kam. In dieser Säuberung, da bin ich mir fast sicher, hätte es die richtigen getroffen. Daß könnte auch der Grund sein, warum Berija sich hinterher brüstete, er habe Stalin persönlich vergiftet: Er hatte sich und Chrustschow und dem ganzen Pack die Karriere, mitunter das Leben gerettet. (Seine eigene und sein eigenes, mag sein, nur vorrübergehend. Ob es überhaupt stimmt, daß er Stalin vergiftet hat, sei dahingestellt.)
Jeder Imperialist, auch dafür verbürge ich mich gern, kostet die Welt mehr Menschenleben als der gesamte Kommunismus je hat und wird. Retten tut der Imperialismus keinen einzigen, seine Opfer sind entweder seine Käufer, die er totschlägt, oder aber diejenigen, die an Verfettung sterben.
Die Zahlen, das nochmal an Cenk, sind nicht durchaus vertrauenswürdig. Es ist, wie der Webmaster gesagt hat, die Historiker verhalten sich wie die Philologen: Hat einmal einer falsche Daten in die Geschichte gebracht, kommen sie so schnell da nicht wieder raus, denn, das fordert die verworfene Berufsehre: Ein Historophilologe hat vom anderen abzuschreiben. Da ist es den Leuten auch völlig Wurscht, ob der ursprüngliche Lügner Solschenizyn oder Kissinger oder Goebbels geheißen hat, und uns, wenn wir mal ehrlich sind, ist es ja auch alles eins.
Diesen Augenzeugenberichten gegenüber wäre ich auch misstrauisch. Das ist eine Form der Tränendrüsen-Geschichtsschreibung, mit der ich mich nicht anfreunden will. Ich hab mir meine positive Meinung über Stalin nicht gebildet, weil ein Bauer ein Buch darüber geschrieben hat, daß er in der Sowjetunion nie Hunger leiden musste, so wenig, wie ich mir meine negative Gesinnung gegenüber Hitler daraus gesogen habe, daß er die arme Anne Frank umgebracht hat.
Das erstmal im Allgemeinen.
Noch viel Spaß in diesem Forum.
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