Marc, ich muß doch an dieser Stelle mal zugeben, daß mich deine Ernsthaftigkeit wirklich beeindruckt. Aber nun zu deinen Fragen, möglichst kurz und knapp:
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Zum Teil beruhen deine Überlegungen aber auf Vorstellungen von der DDR allgemein und der Situation in DDR Betrieben im besonderen, die so einfach nicht richtig sind. Aber so wie es aussieht könntest du das garnicht besser wissen.
Natürlich kann ich das nicht. Muss ich ja auch nicht, weil ich das nicht kann, verstehste? Der letzte Beitrag von mir hier war ja entstanden als Marinus meinen kleinen Scherz missverstand, und wie das nun mal unter uns hier im Forum so ist, wird im Falle eines missverstandenen Witzes einfach weiterer Humor nachgelegt. Zurück zu den Betrieben, die kenne ich nicht, ich ging in meiner kleinen Geschichte vom durchschnittlichen Betrieb aus, in dem immer jemand zu finden ist der eine Meinung allen anderen Beschäftigten aufzwingt, Kapitalismus oder Sozialismus ist dabei egal. Wichtig ist das aber, wie oben erklärt, auch schon nicht mehr.
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Obwohl ich es nicht mag, auf eine Frage mit einer Gegenfrage zu antworten, geht es hier wohl nicht anders. Ben, bevor du mir in meiner Dienststelle (so hieß das bei der Bahn) über den Weg gelaufen wärst; welche Erfahrungen hättest du denn bis dahin gemacht? Du wärst entweder ein Lehrling gewesen, mindestens 16 Jahre alt, ein Praktikant (in der Regel um einiges älter), oder ein "Seiteneinsteiger". In jedem Fall wärst du nach mindestens zehn Jahren sozialistischer Schulbildung bei uns aufgeschlagen.
Dass es in unserem Arbeiter und Bauern Staat keine Herren und keine Diener gibt hättest du in den zehn Jahren oft genug gehört. Und dass Kommunisten edle Menschen und absolute Vorbilder sind genau so oft. Und letzteres war ja so falsch nicht. Kommunisten, die eher gestorben sind ehe sie Ihre Genossen verraten haben hat ja nun nicht die DDR - Bildungspolitik erfunden. Auch über die klassenbewusste und stets für den Sieg des Sozialismus kämpfende Arbeiterklasse hätte man dir eine Menge beigebracht.
Na das sagte ich ja: Auswendig gelernte, verflachte Theorie und mangelhafte Geschichtskenntnisse kritiklos und nur dem Namen nach gelernt. Und dann nochmal vom Marc erzählt. Da liegt ja eben Maos Hund begraben.
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Wenn du in all dieser Zeit den Widerspruch zwischen Anspruch und Realität nicht hättest erkennen können; spätestens am ersten Tag im "Wagenbau" (verbreiteter Name für unsere Werkstatt) hättest du diesen Schock erlebt: Die klassenbewusste selbstlose Arbeiterklasse, die dir da begegnet wäre, wäre dir auf den ersten Blick als ein Haufen egoistischer Irrer erschienen. Allerdings hättest du mir der Zeit gelernt, dass es ganz so einfach nicht ist...
Ich meinte hierbei nicht das Kennenlernern neuer Marcs, sondern die geschichtlichen Vorgänge in den 80ern die zumindest laut einigen Gesprächpartnern und Lektüren alles andere als ruhmreich für die SED waren. Irgendwann kommt ein schlauer Mensch wie ich einer bin und also damals auch geworden wäre, dahinter, daß da irgend was nicht läuft. Dann sind wir wieder bei Anspruch vs. Wirklichkeit. Ich meinte nicht, daß mich Proletarier erschreckt hätten.
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Ich habe diese Erfahrung selbst gemacht, und es war, wie du schreibst "ein tiefer Fall". Aber wie kommst du darauf, dass die einzige Konsequenz dieser Erkenntnis nur eine Republikflucht gewesen wäre? Auch nach dieser Enttäuschung waren für mich die DDR und der Sozialismus immer noch die bessere Alternative!
Na, das freut uns doch zu hören. Das mit der Republikflucht musste in die Geschichte mit rein, wegen dem Witz weiter oben. Ich konnte mich gerade noch so beherrschen, nicht noch das alternative Ende des nicht mehr ganz so kleinen Ben an der Grenze zu schreiben... Der tiefere Sinn, wenn du schon danach fragst, ist der, daß der aufgezeigte Unterschied zwischen der Selbstdarstellung der DDR und der Realität leider einen Nährboden für Gorbifans und Ähnliches bot. Natürlich nur als einer der Gründe. Dazu haben wir im Forum einige Diskussionen geführt und manchmal bekommt man auch die Gelegenheit politische Entscheidungsträger dieser Epoche zu sprechen die die Geschichte schonungsloser bewerten.
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Dass Kommunisten Vorbilder sein müssen war doch nicht meine private Idee! Das stand im Statut der SED!
Nun, auf diesen Hinweis kann ich leider nur theoretisch antworten, da mir unbekannt ist, in wie weit sich die SED-Mitglieder versuchten daran zu halten. Denn das Problem ist, was du hier anführst ist ganz einfach Ideologie, scharf formuliert: Propaganda. Natürlich hatten die Genossen der SED größtes Interesse daran, der quasi unüberschaubaren Menge der Mitglieder einfache Regeln an die Hand zu geben, die deren Verhalten und Haltung im Sinne des Sozialismus beeinflussen sollten. Das ist Teil der Politik einer Staatsführung, egal welcher. Aber wo sind die denn heute alle hin, die Massen der SED? Was ich versuche zu vermitteln ist, daß diese Maßnahmen wie ein Kodex zwar unter den Bedingungen eines Sozialismus der gut läuft notwendig und sehr sinnvoll sind, weil auch wirklich jeder kapiert was man von ihm erwartet,
aber wenn die Sache dann nicht mehr läuft haben diese Moralpredigten kein Fundament, auf dem klares politisches Handeln möglich ist. Das war doch eben das was passierte: Einige Demonstranten tummeln sich und rufen schwachsinnige Parolen aber die Masse der Regierenden hat keine Ahnung und auch keinen Mut (Der Mut, den ich hier meine, kommt nicht von Dummheit wie gewöhnlich, sondern hätte aus Anerkennung der historischen Notlage eines historischen Projektes (aka DDR) entspringen müssen.), koordiniert dagegen zu halten oder zu überlegen, was überhaupt zu tun
möglich ist. Weil eben diese flachen Haltungen einem nicht erklären, was da im Gange ist und weil jemand wie Kurt Gossweiler, der diese Strömung seit Jahrzehnten analysierte, nicht verbreitet werden konnte. Kann man bei ihm nachlesen, welche Probleme er hatte. Das alles kommt in einem einzigem großem, übelriechendem Paket zusammen mit anderen härteren Angriffen auf den Sozialismus. Auf dem Paket steht:"Revisionismus, zu Händen Gorbis."
Kurzum: Deine Taktik war im Frieden einfach durchschnittliche und notwendige Politik hat aber in der Not nicht geholfen, und deshalb kannst du, Marc, heute, wo wir noch schlechter dran sind und noch mehr fundiertes Vorgehen und Nachdenken benötigen, dich mal nachhaltig von diesen Vorstellungen trennen und öfter mal der schönen Vernunft in den Ausschnitt linsen.
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Und jetzt hätte ich eine Frage an dich: Hat wesentlich zum Ende der DDR beigetragen, dass im SED - Statut unter "Pflichten des Parteimitglieds" unrealistische Forderungen standen, oder lag es deiner Meinung nach doch eher daran, dass zum Ende hin einfach niemand mehr das Statut ernst genommen hat?
Siehe oben und überall im Forum. Aber eigentlich war die FDJ an allem schuld. (Witz)
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Da du mir recht direkt vorwirfst, unbedarfte DDR - Bürger in die Flucht getrieben zu haben: Nicht einer meiner Kollegen hat 1989 das Land verlassen. Nicht einer ist am 10.11.1989 nicht zur Arbeit gekommen, weil er mal schnell in den Westen wollte (Sind von hier aus etwa 25 Kilometer). Ich habe keine Ahnung, ob meine "Agitation" dazu etwas beigetragen hat, auf jeden Fall muss ich mir nichts vorwerfen und auch nichts vorwerfen lassen!
Du bist leider in diesem Faden der Vertreter dieser zur falschen Zeit verbreiteten romantischen Haltung zum Kommunisten an sich und daher musste ich dich als Handelnden in die Geschichte, die wie schon erklärt aus Marinus' Kritik an einem kleinen Witz bestand, einbauen. Wenn du es hören willst: Du bist nicht schuld am Untergang der DDR. Wirklich nicht. Das war die FDJ. (Witz)
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Abschließend kurz zurück zum Thema des Threads und der Diskussion. Über den Lebensstil von Künstlern und Funktionären wussten zumindest wir in der tiefen Provinz garnichts, darüber gab es nur Gerüchte. Ganz allgemein war der Konsenz aber, dass im Sozialismus gefälligst jeder seine Hecke selbst zu schneiden hat. Auch unter dem Aspekt, dass wir immer einen Mangel an Arbeitskräften hatten.
Und einen Mangel an Leuten wie Peter Hacks einer war. Deswegen wurde erster Mangel vernachlässigt. Übrigens hat Numa diesen Themenkomplex eigentlich schon geklärt, nachdem wir zuerst dachten, das ist es was du meinst. Jetzt, nachdem wir wissen, daß dich nur der wohlgekleidete Diener den Hacks so nicht hatte störte, kommst du mit den andern Punkt daher. Marc, mit allem nötigen Respekt, hörst du vielleicht den ganzen Tag lang nur Oktoberklub?